Neuigkeiten 21.04.2020

Pressemitteilung und Stellungnahme der GEW Herne zur Öffnung der Schulen

Die sukzessive Öffnung der Schulen ab Donnerstag ist aus Sicht der GEW Herne in mehrerlei Hinsicht fatal und überstürzt.

Min.

Die in dieser Woche geplante Öffnung der Schulen für manche Lerngruppen (z.B. Abschluss- und Übergangsklassen sowie angehende Abiturient*innen) ist aus Sicht der GEW Herne in mehrerlei Hinsicht fatal und überstürzt: Sie setzt am falschen Ende an und sie birgt ein hohes Risiko.

  1. Beginn mit falscher „Stoßrichtung“.
    Während des lockdowns gab es flächendeckend große Sorgen um zahlreiche Kinder, die - ohne sichere Unterstützungssysteme und teilweise sehr allein - mit ihren tiefgreifenden Ängsten umgehen mussten, ohne dafür die „Werkzeuge“ zu haben. Man nahm an, dass viele Kinder in Verwahrlosungssituationen „gefangen“ wären, teilweise mit fehlender oder mangelhafter Ernährung, andere in Gewalt-Umfeldern oder in Missbrauchs-Settings und viele schlicht allein gelassen und ohne jedwede Anregungen ihres Umfeldes.
    All diese, teilweise körperlich und vielfach seelisch tiefgreifend bedrohlichen Umstände bleiben jetzt völlig unbeachtet in der Ausrichtung der Schul-Wiederöffnung. Offenbar ist das Ziel, Prüfungen durchzuziehen - koste es, was es wolle - wichtiger als das Sich-Kümmern um Lebens-Notwendigkeiten von Kindern. Wir halten dies für fatal! Viele Lehrer*innen würden sich gern dringlich um diese Kinder kümmern, weniger um deren Prüfungen.
     
  2. Gefährdung der körperlichen Gesundheit von Schüler*innen, Lehrer*innen und ihrer Angehörigen
    Aus Sicht der Herner GEW setzt man durch die überstürzte Öffnung der Schulen Schüler*innen, Lehrer*innen und alle Menschen, die in Schulen tätig sind, einer Ansteckungsgefahr durch das Corona-Virus aus, da die ministeriellen Vorgaben an vielen Stellen unklar und widersprüchlich sind und sich an den Schulen schwer bis gar nicht umsetzen lassen.
    Der Abstand von 1,5 Metern zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen lässt sich in Klassenräumen nur einhalten, wenn man Klassen und Kurse auf mehrere Räume verteilt. Selbst bei „Schicht- Lösungen“ z.B. mit „Früh- und Spätschicht“ wird der Raumbedarf sehr schnell so groß, dass bei Öffnung für mehrere Jahrgänge schlicht zu wenige Räume vorhanden sein werden – spätestens dann sind Abstandsregeln unmöglich einzuhalten. Ebenfalls kann bei einer größeren Anzahl von Schüler*innen in Situationen außerhalb des Klassenraums (Pausen, Begegnungen in engen Fluren, im Toilettenvorraum) ein Abstand von 1,5m kaum eingehalten oder kontrolliert werden (zahlreiche Berufsschulen rechnen schon bei der Öffnung nur für ihre Abschlussklassen mit 1000 Schüler*innen und mehr !!!).  
    Das Ministerium spricht davon, dass in Fällen, in denen der notwendige Abstand nicht gegeben ist, Masken getragen werden müssen, erklärt jedoch nicht, wo diese herkommen sollen. Die tägliche gründliche Reinigung von Räumen und Oberflächen mit Desinfektionsmitteln ist bei verschiedenen Gegenständen nicht ausreichend (z.B. Türgriffe, Tastaturen, Toiletten, Handläufe). Zu erwarten ist, dass Reinigungskräfte nicht permanent überall vor Ort sein und für die notwendige Hygiene sorgen können. Darüber hinaus werden zahlreiche Kommunen nicht dazu in der Lage sein, notwendige Hygiene- und Schutzkomponenten zu beschaffen, schon gar nicht mit einer Vorlaufzeit von wenigen Tagen. Wer Schulen kennt und um das Dilemma der reduzierten Ausgaben für Schulgebäude und deren Reinigung weiß, wird die Vorstellung einer hygienisch sicheren Situation schnell verwerfen müssen.

    Wir fordern daher als ersten Schritt, dass VOR der Öffnung der Schulen eine Gefährdungsbeurteilung erfolgt: In Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern müssen sowohl das Gebäude als auch die vorhandenen hygienischen Bedingungen begutachtet werden.
     
  3. Gerechtigkeitsprobleme
    Schüler*innen, die einer Risikogruppe angehören oder mit jemandem aus einer Risikogruppe in einem Haushalt leben, werden die Schule nicht besuchen können. Sie erleiden einen Nachteil im Vergleich zu denen, die in der Schule persönlich und damit intensiver auf Abschlussprüfungen vorbereitet werden. Auch viele Lehrer*innen werden aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe nicht in der Schule unterrichten. Müssen dann die „jungen, gesunden“ Lehrer*innen für diese mitarbeiten?
    Uns scheint insgesamt die Entscheidung der Landesregierung in den genannten Bereichen fatal und überstürzt und wir erwarten von unserem Arbeitgeber ein vernünftig durchdachtes Konzept, anstatt die Entwicklung eines solchen einzelnen Schulen und Schulleitungen aufzubürden. Die Fixierung des Ministeriums auf Prüfungen darf nicht dazu führen, dass Menschen gesundheitlich schwerwiegenden Risiken ausgesetzt werden.

   
Das Vorstandsvorsitzenden-Team der GEW Herne

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Folgende Dateien (s.u.) stellen wir zum Download bereit:

Zu der hier veröffentlichten Stellungnahme der GEW Herne zur Öffnung der Schulen stellen wir einen Nachtrag zur Presseerklärung bereit.

Wir haben für die Grundschulkolleginnen und -kollegen die Info zur Corona-Pandemie "Grunschulen mehrfach gefordert" der Fachgruppe Grundschule GEW NRW.

Außerdem stellen wir für alle Kolleginnen und Kollegen eine detaillierte Liste zur Verfügung, die viele Punkte aufführt, die man unter den erschwerten und bedrohlichen Bedingungen beachten bzw. bedenken muss.