Neuigkeiten 08.06.2020

Stellungnahme des Vorstandsteams zur Rückkehr zum Normalbetrieb an Grundschulen

Die GEW Herne ist fassungslos über erneut nicht nachvollziehbare Maßnahmen der NRW-Landesregierung.

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Nachdem uns bereits mehrfach Fassungslosigkeit, Unverständnis und Wut von Kolleg*innen im Schuldienst über die teilweise als völlig abstrus wahrgenommene Maßnahmen und die Art und Weise der Kommunikation gespiegelt worden sind, müssen wir nun einen neuen weiteren Tiefschlag zu Kenntnis nehmen.

Ein Rückblick: Zunächst erreichten die Schulen nach den Schulschließungen im März über viele Wochen lang nahezu täglich Schulmails des MSB mit oft widersprüchlichen Vorgaben und mit der absolut prioritären Ausrichtung, die Prüfungen an Schulen - koste es was es wolle - „durchzuziehen“. Weder waren Kinder im Blick, die in engstem Raum Verwahrlosungs-, Missbrauchs- oder Gewaltsettings ausgesetzt waren, noch diejenigen, die aufgrund verschiedenster Gründe gar nicht über digitale Wege erreichbar waren, noch wurden Fragen der Gerechtigkeit beim Durchführen der zentralen Abiture berücksichtigt. Im weiteren Verlauf blieben an vielen Stellen Antworten zu Fragen der Einhaltung der Hygienevorgaben abstrus und inkonsistent geregelt und nicht umgesetzt – während z.B. für die Öffnung von Kaufhäusern in verschiedenen Bundesländern galt, dass pro Besucher 20 m2 Raum zur Verfügung stehen mussten, waren es in NRW 10 m2, in Schulen wurde dies nicht festgelegt; nachdem zunächst 5m2 im Gespräch waren hat man schließlich selbst diese Vorgabe NICHT gegeben und lediglich 1,5 m Abstand verfügt – dies ließ mehr „Spielraum“ für die Einteilung auch größerer Schülergruppen bei Präsenzunterricht bei Aufteilung von Klassen. Dann hat man Schritt für Schritt die Vorgaben für Angehörige der Risikogruppe oder deren Angehörigen in häuslicher Gemeinschaft eingeschränkt, bis dahin, dass zu Prüfungen – natürlich wiederum zu Prüfungen – niemand mehr zur Risikogruppe gezählt wurde – weitere Sicherheitsvorgaben wie z.B. die Anordnung von Plexiglasscheiben o.ä.: Fehlanzeige.

Jetzt erreichen die Schulen die mittlerweile 23.(!) Schulmail, in der zur Überraschung aller festgelegt wird, dass man noch vor den Ferien völlig neu denken müsse und umschalten auf eine „WIEDERAUFNAHME EINES VERANTWORTUNGSVOLLEN NORMALBETRIEBS AN DEN GRUNDSCHULEN“ – worin hier das „Verantwortungsvolle“ liegt bleibt für uns völlig unklar. Zitat aus der Schulmail: „Hier tritt die Notwendigkeit der Abstandswahrung zurück, sofern konstante (Lern-)gruppen gebildet werden können und Infektionsprävention durch Vermeidung von  Durchmischung geleistet werden kann“  – und das, nachdem bereits alle Grundschulen unseres Wissens nach die Zeit bis zu den Ferien mit großem Aufwand geplant und den Eltern und Kindern gegenüber kommuniziert hatten.

Nachdem von allen bisher maßgeblichen medizinischen und epidemiologischen Institutionen (z.B. RKI) weiterhin der einzuhaltende Abstand als wichtigste Maßnahme im Kampf gegen das Virus postuliert wird, hebt ausgerechnet das Bildungsministerium diese zentrale Vorgabe für den Bereich der Schulen auf – wie man darauf kommt bleibt unklar.
Unsere Einschätzung: Für uns ist dies eine erneut katastrophale, schlicht taktisch-politische Maßnahme unter folgenden Gesichtspunkten:
Selbstverständlich hätte man sich in der ganzen vergangenen Zeit schwerpunktmäßig NICHT um das Wohl von Prüfungen sondern um das Wohl der Kinder, besonders der Schwächsten kümmern müssen. Dass man jetzt umschwenkt in Richtung „wir tun so, als ob in Schule das Virusgeschehen anders wäre als überall sonst um uns herum – „Normalbetrieb“ erscheint uns nicht zufällig und nicht sachorientiert, sondern rein politisch-taktischer Natur: Man ordnet diese Maßnahme exakt für die letzten 10 Tage des Schuljahres an – bei allseits bekannter Inkubationszeit des Virus von 14 Tagen werden die sehr wahrscheinlich ansteigenden Fallzahlen erst in den Ferien bekannt werden. Die eigentlich – nach bisheriger Lesart - notwendigen Schulschließungen müssen dann nicht angeordnet werden, da ja Ferien sind. Betroffene gehen also in den Ferien in Quarantäne – wenn sie es denn überleben. Nach Ansicht führender Virologen1  tragen Kinder unserer Lesart nach die gleiche Viruslast wie Erwachsene und es ist zur Zeit absolut unklar, wie viele Erwachsene in der Folge der Öffnung von Schulen sich hier anstecken werden und was dies für Folgen für die Gesamt-Viruslage in Deuschland haben wird.

Es handelt sich bei der nun angekündigten Maßnahme also um ein rein taktisches, politisches Manöver, bei dem alle Grundschüler, ihre Angehörigen und die Lehrkräfte sowie deren Angehörige als „Testballon“ in einen Feldversuch geschickt werden – man kann nur hoffen, dass die Folgen nicht so sein werden, wie sie zu befürchten sind. Und leider konnte und kann man bei den allermeisten Maßnahmen des MSB der vergangenen Wochen und Monate NUR HOFFEN, denn auf nachhaltige, sinnhafte, an Menschen orientierte, faktenbasierte Maßnahmen verlassen konnte man sich leider so gut wie nie.
Uns erscheint unfassbar, mit wie großem Chaos immer und immer wieder Beschlüsse getroffen werden, die alles Mögliche im Blick haben mögen, sicher aber nicht das Wohlergehen von Menschen.

Das Vorstandsvorsitzenden-Team der GEW- Herne

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   Kinder sind einer Analyse der Berliner Charite zufolge in der SARS-Covid 19-Pandemie vermutlich in gleichem Maße infektiös wie Erwachsene. „Die Viruslast in den Atemwegen unterscheide sich bei verschiedenen Altersgruppen nicht, berichten Forscher um den Virologen Christian Drosten“ (Ärzteblatt, Zugriff vom 30.04.2020).Diese Aussagen werden durch neueste Forschungsergebnisse bestärkt (Christian Drosten et.al.; An analysis of SARS-CoV-2 viral load by patient age, Berlin Juni 2020). Auch der Präsident des RKI, Lothar Wieler, betonte, „dass Kinder für die Ausbreitung wohl dieselbe Rolle spielten wie Erwachsene“ (Ärzteblatt, a.a.O.).