Neuigkeiten 03.11.2022

Rückblick auf die Jahreshauptversammlung

Der Bericht der Vorsitzenden zeigte, wie vielfältig sich die GEW Herne engagiert hat – und wie sehr Corona die Lupe auf zahlreiche systemische und strukturelle Mängel im Schulsystem fokussiert hat.

Min.

Inhaltlich stand die Frage nach den Folgen der Wegschulung für betroffene Schülerinnen und Schüler im Zentrum der Debatte, die von einem Impulsreferat von Carsten Piechnik (Vorstandsvorsitzender) eingeleitet wurde und eine intensive Diskussion unter den Anwesenden einleitete.
Im Impulsreferat ging es um die dramatischen Folgen von Wegschulungen für

  • die Kommunen, die jedes Jahr auf´s Neue Unplanbarkeiten haben, darüber, wie viele Schüler*innen welche Schulen verlassen und an anderen Schulen untergebracht werden müssen, wobei die aufnehmenden Schulen i.d.R. weder räumliche noch personelle Ausstattungen dafür besitzen.
  • die aufnehmenden Schulen, die jedes Jahr auf´s Neue das Problem der Versorgung großer neuer Schüler*innengruppen bei fehlendem Raum ohne vorhandene Lehrer*innen haben, dazu das Auseinanderreißen fester Klassen und ihrer sozialen Bezüge und immer wieder neu Zusammen“würfeln“ neuer Klassen. Es sind immer ganze Jahrgänge mit vielen Schüler*innen betroffen.
  • die betroffenen Schüler*innen, die Entwurzelung, Verlustbiographien und Gefahr von dramatischen Folgen in der zentralen Identitäts – und Bildungs-Phase erleben.
  • die gesamte Gesellschaft, die mit der Gefahr lebt, dass entwurzelte Menschen anfällig sind für Populismus oder Extremismus, aber auch für gravierende psychische Probleme wie Sucht, Aggression, Vereinsamung, fehlendem Selbstwert, Demokratieverdruss usw..
    Es wurde in der folgenden Diskussion sehr schnell klar, dass alle Anwesenden die dringende Notwendigkeit des Vermeidens von Wegschulungen sahen. In diesem Zusammenhang erschien Schule in ihrer momentanen Struktur nicht als Teil der Lösung der vielen – auch gesellschaftlichen Herausforderungen, sondern als Teil des Problems.

Grundsätzlich wurden gegen Wegschulungen mehrere Lösungsansätze diskutiert:

1. die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Neuausrichtung des gesamten Schul- und Bildungssystems, in dem Wegschulungen gar nicht „vorkommen“ (langfristig und ganzheitlich)

2. die Notwendigkeit, pragmatische, mittelfristige Lösungen vor Ort zu finden, die da wären:

  • Überlegungen zur Gründung einer weiteren Schule des längeren gemeinsamen Lernens in Herne
  • Möglichkeiten zur Einrichtung von Hauptschulzweigen auch an Realschulen
  • Etablierung einer „Kultur des Behaltens“ an den Schulen des gegliederten Systems
  • flächendeckende Ganztagsangebote verknüpft mit Sport- und Kulturangeboten,
  • Maßnahmen zur Erhöhung der Attraktivität Herner Schulen als Arbeitsplatz für Lehrer*innen

3. die Notwendigkeit, das bestehende System dringend besser auszustatten, denn bessere Förderung von Kindern würde ebenfalls Wegschulung entgegenwirken, z.B. Kindergartenpflicht, mehr Plätze in Kitas und Tagesstätten, Länderfinanzierung bei Schul(neu)bauten, mehr Lehrer*innen in allen Schulformen, besonders an Grundschulen, kleinere Lerngruppen, mehr Zeit, bessere Ausstattung, breite Bildungsziele in Richtung „Hilfe bei der Menschwerdung“, ausreichende Anzahl von Sonderpädagog*innen und Sozialpädagog*innen

Unser Gast, Herr Merkendorf, Dezernent für Schule, Kultur und Bildung, trug in seinen Ausführungen umfangreich Vorstellungen der Kommune bei. Deutlich wurden zahlreiche Übereinstimmungen mit der GEW in den Zielrichtungen, aber auch in den Einschätzungen der von allen Anwesenden geschilderten Problemlagen.„In einer idealen Schulwelt dürfe es so etwas (gemeint Wegschulungen) nicht geben.“ so Dezernent Andreas Merkendorf.
Merkendorf führte aus, in Herne gebe es zu wenige und damit auch zu große Grundschulklassen. Er hielte es außerdem für problematisch, große (vierzügige) Grundschulen zu führen. Kleine Kinder bräuchten kleine überschaubare Systeme. Oft sähe die Realität in den finanzschwachen Kommunen anders aus, außerdem gebe es zahlreiche formale Hürden durch gesetzliche oder erlassgemäße Setzungen, z.B. bei geplanten Schulneugründungen.
Herr Merkendorf bestätigte, dass in Herne schon vor der Grundschulzeit immer noch eine Unterversorgung in der frühkindlichen Bildung existiere. Es fehle immer noch an Kitaplätzen. Daher habe sich die Stadt erfolgreich auf den Weg gemacht, diese Lücke durch Neugründung von Kitas Stück für Stück zu schließen.
Zur Frage des möglichen Hauptschulzweiges an Realschulen führte Herr Merkendorf aus, dass dies in Herne zur Zeit ebenfalls schwierig sei, da gesetzlich festgelegt ist, dass den Realschulen die Möglichkeit verwehrt wird, einen Hauptschulgang einzurichten. Der § 132c SchulG, Sicherung von Schullaufbahnen,verbietet dies, solange noch eine Hauptschule in der Kommune existiert. Dies ist in Herne der Fall, auch wenn die Hans-Tilkowski-Schule räumlich schon massiv an ihren Kapazitätsgrenzen angekommen sei.

Die großen Übereinstimmungen mit der GEW in vielen Fragen fanden sich schließlich auch in der Aussage wieder: „Es muss mehr Geld in die Bildung unserer Kinder gesteckt werden. Die Kinder in Herne haben das verdient“.
Die Jahreshauptversammlung beauftragte den GEW-Vorstand schließlich, die Forderungen der Versammlung zusammenzufassen und auf gewerkschaftlicher Ebene auf die Landesbühne und auch in die Öffentlichkeit zu tragen, wobei die Landes-GEW sich für die oben skizzierten Veränderungen einsetzen soll.
Neben den wichtigen inhaltlichen Aspekten standen turnusmäßig wichtige Wahlen an. So wurden die beiden Vorstandsvorsitzenden Ralph Stenzel und Carsten Piechnik mit großer Mehrheit für weitere 3 Jahre in ihren Ämtern bestätigt und zahlreiche Ämter der GEW Herne (teilweise neu) besetzt.
Die sehr intensiven Gespräche wurden bei einem gemütlichen Ausklang samt Buffet bis in den späten Abend fortgeführt.
Aufgrund der immensen Herausforderungen und Probleme im Schul- und Bildungssystem, aufgrund einer Bildungskrise, die gleichzeitig eine soziale Krise ist, wird es notwendig sein, sich laut und stark und immer wieder neu einzusetzen für Richtiges und Gutes – es geht um die Kinder, die Gesellschaft,die Zukunft, und darum, wie sie gestaltet sein soll.

Wir glauben, wir haben etwas zu sagen – und werden versuchen, dies laut und mit Sinn, klaren Gedanken und warmem Herzen zu tun !