Wegen Vorgaben zum Schulstart nach den Weihnachtsferien – nach 2 Tagen ist das schon sicher
Seit 2 Tagen sind die Schulen nach den Ferien in NRW wieder offen – und schon ist klar: Die Vorgaben haben dafür gessorgt, dass das Brechen aller Dämme unausweichlich vorprogrammiert ist.
Zugegeben: Die Situation in Herne war – aufgrund vollständig ausbleibender Ergebnisse der Lolli- (PCR-) Tests an den Grundschulen – außergewöhnlich schwierig. Aber schon die „normalen“ Vorgaben für alle Schulen haben das bevorstehende Brechen aller Dämme unausweichlich gemacht.
1. Die „normalen“ Vorgaben des MSB und die fatalen Folgen in ganz NRW
- Der Schulweg am 1. Tag nach den Ferien:
In der Schulzeit vor den Ferien galten Schüler*innen als „getestete Personen“ – somit durften sie z.B. den ÖPNV auch unter 3G- Vorgaben nutzen. Da in den Ferien Schüler*innen aber nicht getestet wurden, mussten sie sich speziell testen lassen, um den ÖPNV zu nutzen. Diese Regelung galt für NRW bis zum letzten Ferientag (Sonntag, 09.01.2022). Ab dem ersten Schultag (10.01.) galten nach den Vorgaben der Landesregierung wieder alle Schüler*innen als getestet, so dass alle diese für ihren Weg zur Schule in großer Zahl die Busse und Bahnen nutzten – BEVOR sie danach dann erst in den Klassen- und Kursräumen getestet wurden. Alle hier „Positiven“ haben also mit großer Wahrscheinlichkeit das Virus verbreitet, bevor überhaupt Tests hätten ihre Erkrankung anzeigen können. Die nun sehr wahrscheinlich in Teilen angesteckten Mitfahrer*innen tragen das Virus hinaus in die Gesellschaft und infizieren weitere Menschen, bevor ihre Erkrankung vielleicht in einigen Tagen auffällt. - Die Testungen in den Grundschulen:
Die Testungen in den Grundschulen sind – aus guten Gründen – sogenannte „Lolli- Tests“. Dies sind für die Kinder recht gut handhabbare PCR- Tests, die so ablaufen, dass jeweils eine ganze Gruppe als Pool getestet wird. Ein positives Ergebnis hier bedeutet, dass mindestens ein Kind infiziert ist, vielleicht auch mehrere. Daher werden dann in diesem Fall in einem zweiten Laborschritt alle Kinder- „Lollis“ einzeln nachgetestet, so dass dann klar ist, welches Kind genau infiziert ist. Im Normalfall erreichen die Schulen die Ergebnisse des 1. Pool- Tests der gesamten Klasse frühestens in der Nacht nach dem Test – also in der Nacht von Montag auf Dienstag. Die Ergebnisse des zweiten Tests kommen dann einen weiteren Tag später. Dies bedeutet, dass in ganz NRW mindestens den ganzen Montag lang die Kinder faktisch ungetetstet zusammensaßen und sich dann sehr wahrscheinlich weiter angesteckt haben. Für Herne bedeutet dies konkret: In 37 Klassen waren ein oder mehrere Kinder infiziert und haben sehr wahrscheinlich das Virus verbreitet. Alle dabei infizierten Grundschulkinder tragen nun ebenfalls das Virus hinaus in ihre Umgebung. - Die normale Unsicherheit der Tests:
Sensitivität der Tests – Antigentests an weiterführenden Schulen: Betroffene in Schulen wussten es schon lang: Die Tests „fischen“ lange nicht alle Positiven heraus. Dem ist das Paul- Ehrlich- Insitut nun ganz aktuell nachgegangen und hat geprüft, wie sensitiv angebotene Test- Kits eigentlich sind. In einer umfangreichen Testreihe hat man mit festgelegten Viruslasten unter gleichen Bedingungen ermittelt, wie sensitiv die Test- Kits das Vorliegen von Antikörpern anzeigen. Der seit längerem in NRW und damit auch in Herne verwendete Test der Firma Siemens zeigt in der Gesamtsensitivität 76% der „Fälle“ an (umso sicherer, je höher die Viruslast). Die nun neu bestellten Test- Kits der Firmen Anbio (58%) und Safecare Biotech (62%) unterschreiten diese Werte deutlich. Kann es bereits als Skandal gelten, dass das MSB und Ministerin Gebauer bei den seit Monaten damit nachweislich unentdeckten Positivfällen immer und immer wieder von „sicheren Schulen“ sprachen, ist es nun in der Situation einer noch deutlich ansteckenderen Virusvariante unfassbar, dass noch weniger sicherere Tests eingesetzt werden sollen. - Sicherheit im Umgang mit potentiell „biogefährlichem Material“ an allen Schulen, besonders an Grundschulen:
Da in den Grundschulen die Ergebnisse der PCR- Tests oft nicht pünktlich oder gar nicht vorliegen und hierfür keine Vorgaben des Landes existieren, waren und sind die Schulen und die Kommunen gezwungen, ad hoc „kreativ“ zu reagieren. An dieser Stelle lassen sich – je nach Lage der Schulen – Maßnahmen finden wie die Kinder alle wieder nach Hause zu schicken ODER alle Kinder Antigen- Selbsttests machen zu lassen oder einfach „ganz normalen Unterricht“ zu machen, bis die Testergebnisse da sind (auf das bereits hier zwangsläufig auftretende unplanbare Chaos sei hier nur kurz hingewiesen). Für den Fall, dass die Kinder Selbsttets an sich vornehmen sollten, lässt sich die Lage wie folgt beschreiben: Die Lehrkraft bereitet Röhrchen mit 10 Tropfen Testflüssigkeit vor - den Rest, der allen hinlänglich mindestens aus Bürgertests bekannt sein dürfte - bewältigen die ungeübten 6-10jährigen selbst – vor allem bei Erstklässlern ist dies kaum mit den notwendigen Voraussetzungen für vernünftige Ergebnisse möglich. Regelmäßig fallen dabei Röhrchen um und die notwendigen 4 Tropfen Testflüssigkeit gelangen nicht an die vorgesehene Stelle der Testkits; vergossene Sekrete und Probenreagenz müssen durch die Lehrkraft entfernt werden – völlig ungeschützt (bis auf den Mundschutz). An dieser Stelle ist von einer groben Unzuverlässigkeit der Ergebnisse auszugehen, ebenso wie von einer Gefährdung der Lehrkräfte - vergleichbare Bedingungen sind in allen Bürgertest-Zentren des Landes strikt verboten und absolut undenkbar.
2. Die Sondersituation in Herne in den Grundschulen an einem Beispiel:
Dienstag: Poolergebnisse kamen um ca. 10.30 h
- um 7h war bereits entschieden worden, die Schulpflicht auszusetzen.
- die meisten Kinder waren Dienstag dann zu Hause, Notbetreuung kurzfristig eingerichtet.
- mehrere positive Pools.
- Bis jetzt (17.30h) keine Ergebnisse der Einzelproben aus den positiven Pools.
Mittwoch:
- weiterhin keine Ergebnisse der Einzelproben
- mehrere komplette Klassen den 2. Tag nicht in der Schule
Fazit: Unter den gegebenen Bedingungen muss sicher davon ausgegangen werden, dass allein über die Setzungen des MSBs Omikron nicht nur in den Schulen angekommen, sondern mit massiver Wucht eingeschlagen ist. Die völlig unzureichenden und einmal mehr nichtmal im Ansatz zu Ende gedachten Vorgaben haben bereits in 2 Tagen dafür gesorgt, dass in den kommenden Wochen von massiven Zahlen von Erkrankungen und Quarantänen ausgegangen werden muss. Davon betroffen sind selbstverständlich auch Lehrer*innen, so dass auch auf diesem Wege noch Unterrichtsausfälle hinzukommen werden.
All dies wäre mit den von uns genannten Forderungen aufzuhalten oder zumindest abzufedern gewesen: Präsenzunterricht in den Grundschulen erst ab dem Vorliegen der PCR- Tests und an den weiterführenden Schulen mindestens die erste Schulwoche mit verpflichtenden täglichen Antigen-Tests in Form von Wechselunterricht - also mit nur halben Gruppen ohne Austausch untereinander, bis man verlässlich die Situation hätte einschätzen können.
Mit den gegebenen Vorgaben hat das MSB nun erreicht, dass nichtmal zwei Tage lang verlässlich Präsenzunterricht in Herne möglich sein konnte. Die kommenden Wochen werden nach diesen Entwicklungen unglaubliches Chaos für die Schulen und alle Betroffenen bringen – und am Ende wird auch all dies, wie bereits schon in der Vergangenheit Menschenleben oder starke Gesundheitsschäden kosten.
Fassungslos und voller Wut nehmen die Kolleg*innen zur Kenntnis, dass die zuständige Ministerin Gebauer sich zur Situation ebenfalls geäußert hat: Laut dpa war sie mit dem Beginn des Präsenzunterrichts am Montag zufrieden. Zitat: „Die bisher vorliegenden Rückmeldungen zeigen, dass der erste Tag mit Tests vor Unterrichtsbeginn für alle rund 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler sowie für das gesamte Personal in Schulen gut gelungen ist.“
Carsten Piechnik äußert sich in der WAZ, Lokalteil Herne&Wanne-Eickel, am 13.01.2022:
Carsten Piechnik, Vorstandsvorsitzender der GEW Herne (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) übt Kritik am Vorgehen des Schulministeriums. „So eine Panne kann passieren. Technik und Mensch sind nicht unfehlbar“, erklärt er. „Allerdings sind in den Schulen solche Umstände geschaffen worden, dass Omikron die Schulen treffen wird, wie eine Axt ein Stück Butter.“ Dass Schülerinnen und Schüler, die tagelang ungetestet sind, mit dem ÖPNV zur Schule kommen und infizierte Kinder dabei potenziell Mitschülerinnen und Mitschüler anstecken, sei unverantwortlich. „Die Kinder dann noch in 37 Klassen einen ganzen Tag lang so sitzen zu lassen, ist schlichtweg fahrlässig“, so Piechnik.
Aus seiner Sicht sollten Schulen und Kommunen mehr Befugnisse erhalten, selbst über notwendige Maßnahmen zu entscheiden: „Schulen haben im Verlaufe der Pandemie bereits mehrfach ausgeklügelte Konzepte für Wechselunterricht vorgelegt, die vom Ministerium abgelehnt wurden.“ Aus seiner Sicht fahre das Ministerium mittlerweile eine „Augen-zu-und-durch“-Strategie, man nehme die Ausbreitung der Omikron-Variante schlichtweg hin.
Im Anhang zwei WAZ-Artikel zum Herunterladen vom 12.01.2022 mit dem Titel "Labor liefert keine Pool-Ergebnisse" und der Artikel "138 Kinder mit Corona infiziert" vom 13.01.22 mit der Kritik von Carsten Piechnik