Neuigkeiten 25.10.2018

Erich-Fried-Gesamtschüler*innen im Petitionsausschuss des Landtages

Erörterung der landesweiten Ergebnisse ihrer Umfrage am 10.10.2018

Min.

Bericht und wünschenswerter Ausblick auf die Zukunft
von Carsten Piechnik, Lehrer der Erich-Fried-Gesamtschule und Projektleiter

Die Umfrage unter Schüler*innen in NRW zu ihrem "Befinden in Schule" führte  zur Eingabe einer Landtagspetition durch die Schülervertretung der Erich- Fried-Gesamtschule in Herne.  Zum 10.10.2018  wurde eine siebenköpfige Schülervertretung zur Erörterung in den Petitionsausschuss des Landtages nach Düsseldorf eingeladen. Anwesend waren neben den Mitgliedern des Petitionsausschusses auch Mitglieder des Schulausschusses aus fast allen Fraktionen, Mitarbeiter des Ministeriums und ein Angehöriger der Bezirksregierung Arnsberg. In der nicht öffentlichen Sitzung wurde zunächst der Schülervertretung Gelegenheit gegeben, ausgewählte Ergebnisse ihrer Umfrage darzustellen und weitergehende Schlussfolgerungen und Anregungen für ein viel weitreichenderes "Neudenken von Schule insgesamt“ zu entwickeln. Im weiteren Verlauf haben dann alle Beteiligten ausführlich Gelegenheit gehabt, Stellung zu beziehen.
Inhaltlich lassen sich die Anregungen und Grundgedanken der Schülervertretung an die Politik wie folgt zusammenfassen:
1)    Es ist dringend erforderlich, dass wir uns gemeinsam entscheiden, ob Schule Menschenbildung in einem umfassenden Sinn angehen soll oder eben nicht.
Warum hat in über 75 Jahren Schule in NRW nicht eine einzige Landesregierung daran gedacht, neben allen Leistungsmessungen auch zu fragen, wie es Kindern und Jugendlichen in der Schule geht?
Wir regen an, zu entscheiden, ob Schule tatsächlich gesellschaftliche Erscheinungen wie Tendenzen zu Vereinsamung, Essstörungen, Aggressionen und Gewaltanwendungen, Norm- und Wertorientierungslosigkeit, Suchterscheinungen, Anfälligkeit zu  politischem Populismus u. a. aufgreifen und angehen soll.
Wenn Kinder und Jugendliche „unser wichtigstes Gut sind“, dann muss Schule entsprechende systemische und strukturelle Voraussetzungen haben, um diese doch erschreckenden Erscheinungsformen zu verhindern. Dazu muss Schule anders gedacht werden als sie derzeit existiert.
Z.B. bedeutet die Auswertung einer einzigen Lernstandserhebung in einem einzigen Fach in einer einzigen 8. Klasse (neben anderen Leistungsmessungen wie PISA/ PIRLS/ TIMSS/ Lernstandserhebungen, zentralen Prüfungen in verschiedenen Jahrgangsstufen) einen immensen Arbeitsaufwand.
Das Thematisieren und Erziehen zu Demokratiefähigkeit, Toleranz, sozialem Handeln, Kreativität, Selbstkompetenzen usw. nimmt dem gegenüber einen viel zu geringen Raum ein. Wenn man tatsächlich die o.g. sozialen Fähigkeiten sowie Inklusion und Integration ernst nehmen und auch anstreben will, dann muss man das Schulsystem so gestalten, dass es die Möglichkeiten zum Erreichen dieser Ziele bereit stellt und nicht die bloße Leistungsorientierung in den Vordergrund stellt.

2)    Weiterhin ist es dringend erforderlich, dass wir systemische Widersprüche im aktuellen Schulsystem beseitigen, damit Schüler*innen und Lehrer*innen darin nicht unter dem aufgebauten Druck leiden und Schaden nehmen!
Derzeit trägt das Schulsystem grundsätzlich noch kaiserliche Züge (ein gegliedertes Berechtigungs-Schulwesen). Im Laufe der Zeit sind immer wieder hier oder dort neue Elemente angefügt worden, die dieses System weiter in Richtung sozialer Ungleichheit verfestigt haben.
Der Grundgedanke der Inklusion ist u.a., jedem Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in allen Bereichen zu ermöglichen, wobei jeder Mensch als ein vollkommen gleichwertiges Mitglied verstanden und das Vorhandensein von Unterschieden als Bereicherung empfunden wird.
Dagegen ist der Kerngedanke eines leistungsselektiven gegliederten Schulsystems, für Kinder und Jugendliche bestimmte Bildungsorte zu definieren, an denen sie richtig oder nicht richtig sind.
Inklusion und Integration führen didaktisch zwangsläufig zur Notwendigkeit der Individualisierung. Dieser Grundsatz zur Individualisierung steht im Widerspruch zu  stetig steigenden Vorgaben von Standardisierungen in der Leistungsüberprüfung (z.B. einheitliche Prüfungsformate, Leistungsstandards, Outputorientierungen, etc.).
Wir haben festgestellt, dass die aus unserer Sicht unauflöslichen Widersprüche zwischen Selektieren und Inkludieren und zwischen Individualisieren und Standardisieren dazu führen, dass Menschen an ihre Grenzen kommen und an den Anforderungen dieser Art scheitern müssen.
Unser Vorschlag ist daher, Schule ganz neu zu denken. Dabei muss letztlich das Wohlbefinden aller in der Schule Tätigen in den Mittelpunkt gerückt werden. Das bedeutet, dass alle vom Schulsystem Betroffenen in einer Gemeinschaft demokratische und soziale Bildung und Erziehung erleben sollen.  Wir glauben, dass sich dadurch viele der derzeitigen Widersprüche im System auflösen würden. Am Ende sind wir davon überzeugt, dass unsere Forderungen allen im Schulsystem Befindlichen gerechter werden würden.
So hätte Schule eine weitaus größere Bedeutung für das Erreichen einer sozialen, toleranten, gerechten, warmherzigen, umweltgerechten und demokratischen Gesellschaft.
Unser Eindruck während der Erörterung war, dass man uns aufmerksam zugehört hat. Unsere Fragen und Anregungen führten bei den Mitgliedern der verschiedenen Fraktionen zu unterschiedlichen Reaktionen. Die Mitglieder einiger Fraktionen haben zugesichert, weiter mit uns im Dialog zu bleiben. Unsere Überlegungen sollen in schulpolitischen Diskussionen Berücksichtigung finden.
Nach vier Jahren des Eintretens, Arbeitens, Bedenkens und auch Kämpfens sind wir dort gehört worden, wo Schulpolitik gemacht wird. Wir sind der Überzeugung, dass sich unser Engagement lohnt und für viele junge Menschen bedeutungsvoll ist. Wir hoffen und wünschen, dass unsere Aktionen ein Startsignal für viele sind, die unsere Sicht teilen.

Chronologie der Schülerbefragung bis zum Petitionsausschuss auf unserer homepage

Umfrage: Wie geht es Schülerinnen und Schülern in der Schule - https://herne.gew-nrw.de/unsere-themen/arbeitsplatz-schule.html

Neuigkeiten aus Herne vom 17.01.18: "SV der Herner Erich-Fried-Gesamtschule schreibt Petition an NRW-Landtag"

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Lesenswert! Artikel (pdf-Datei unten) von der "GGG NRW, Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule Nordrhein-Westfalen e.V."

Sehenswert!  Ein Film des WDR 3, Lokalzeit vom 13.10.2018

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