Neuigkeiten 19.06.2018

Die Belastungen an Herner Haupt- und Gesamtschulen werden im nächsten Schuljahr weiter steigen

Es müssen dort viele Kinder aus Seiteneinsteigerklassen und aus der Erprobungsstufe der Gymnasien und Realschulen aufgenommen werden.

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Die Situation

Auf der Schulausschusssitzung am 7.06.2018 wurde das ganze Ausmaß des drohenden Notstandes in den drei Herner Gesamtschulen und der Hans-Tilkowski-Hauptschule im kommenden Schuljahr deutlich. Es müssen zusätzlich Kinder aus Gymnasien und Realschulen aufgenommen werden, die nach dem Ende ihrer 24-monatigen Sprachförderung in speziellen Seiteneinsteigerklassen in die Regelklassen der Haupt- und Gesamtschulen wechseln müssen. Der Grund: In den Schulformen Gymnasien und Realschule können die Kinder keinen Hauptschulabschluss erwerben.
Hinzu kommen weitere Kinder aus, die nach der Erprobungsstufe an Realschulen und Gymnasien wegen nicht ausreichender Leistungsfähigkeit „abgeschult“ werden, d.h. zur Haupt- oder Gesamtschule wechseln müssen.
Die Hans-Tilkowski-Schule wird außerdem noch die 10. Jahrgangsstufe der dann aufgelösten Hauptschule Hölkeskampring aufnehmen.
Die Gesamtzahl der Wechsler wird auf ca. 180 Schülerinnen und Schüler geschätzt.
Um die zusätzlichen Schüler*innen überhaupt unterbringen zu können, werden zusätzliche Container an der Hans-Tilkowski-Hauptschule, Mont-Cenis-Gesamtschule, Erich-Fried-Gesamtschule und an der Gesamtschule Wanne-Eickel aufgestellt – wobei in der Sitzung bekannt wurde, dass sich deren Lieferung noch etliche Wochen oder gar Monate nach Schulbeginn verzögern wird. Es seien Übergangslösungen mit den Schulleitungen abgesprochen, so Schuldezernentin Gudrun Thierhoff.
„Wir haben keine Räume, wir haben keine Lehrer, wir haben große Sorgen“, fasste Carsten Piechnik, Lehrer der Erich-Fried-Gesamtschule und unser GEW-Vorsitzender, dem Rederecht auf der Sitzung eingeräumt wurde, die Situation zusammen.

Der folgende Text ist aus  der  WAZ, Lokalteil Herne & Wanne-Eickel, 14.06.2018 übernommen

Die Situation macht Sorgen

Die Sorgen über die Situation standen Carsten Piechnik und dem stellvertretenden Schulpflegschaftsvorsitzenden der Erich-Fried-Gesamtschule, Ulrich Ponsa, ins Gesicht geschrieben. „Es geht hier um Kinder“, betonte Carsten Piechnik, „Kinder, die zum Teil traumatisiert sind, Kinder, die die Sprache nicht richtig beherrschen, Kinder, die zum wiederholten Male aus ihrem sozialen Umfeld gerissen werden“. Sie müssten sich überdies in ein Umfeld einfügen, das auch aufgemischt werde: Im Sinne der Integration poche das Land darauf, so hieß es im Schulausschuss, die Seiteneinsteiger auf ihre altersentsprechenden Regelklassen zu verteilen – mit der Folge, dass diese bestehenden Regelklassen aufgebrochen und neu zusammengesetzt werden müssen. „Kinder“, so Ulrich Ponsa, „sollten in ihrem Verbund bleiben können.“

Für die Zuwandererkinder „neu denken“

Die Lage der Gesamtschulen, so Carsten Piechnik, sei durch Inklusion und Integration ohnehin prekär: Von den laut Statistik 80 Lehrern der Erich-Fried-Gesamtschule fehlten so viele, dass es einen Sonderplan gebe, um die Ausfälle bis zum Schuljahresende abdecken zu können; Lehrerstellen seien ausgeschrieben, könnten aber nicht besetzt werden, weil es die Lehrer nicht gebe oder sie andere Schulformen bevorzugten. Viele Stellen seien auch für Seiteneinsteiger ausgeschrieben: Fachlich kompetent zu sein, sei eins. Ein anderes sei es aber, sagt Carsten Piechnik, mit belasteten Kindern umzugehen. Sowohl er als auch Ulrich Ponsa forderten, dass alle Schulformen gemeinsam die Aufgabe der Integration der Kinder aus Zuwandererfamilien lösen müssten.
„Wir bedauern sehr, dass wir die Kinder nicht behalten dürfen“, betonte Uwe Scholle, Sprecher der Herner Realschulen. Das Dilemma seien gesetzliche Regelungen, die dies nicht zuließen und von denen sie alle gehofft hätten, dass sie geändert worden wären.
Als „sehr ernst“ bezeichnete auch Jörg Höhfeld (Grüne) die Situation. Letztlich sei das gegliederte Schulsystem Ursache der Misere. Doch dieses Fass aufzumachen, halte er für aussichtslos. Dennoch müsse man für die Zuwandererkinder „neu denken“, denn was nun geschehe, sei keine Integration, sondern führe zur Desintegration bestehender Systeme.