Neuigkeiten 23.05.2019

Demo in Düsseldorf: Tausende Erzieherinnen fordern: „Mehr Große für die Kleinen“

Auch unsere Herner Erzieherinnen und Erzieher waren dabei. Sie berichteten am 21.05.19 der WAZ-Redakteurin Kathrin Meinke, warum sie die Demonstration unterstützen wollen.

Min.

Aus: WAZ, Herne & Wanne-Eickel
21.05.2019

Kita-Leiterin schlägt Alarm: „Wir gehen auf dem Zahnfleisch“

Erzieherinnen aus ganz NRW gehen am Donnerstag auf die Straße und fordern: „Mehr Große für die Kleinen“. Auch in Herne werden Dutzende Beschäftigte in Kitas freigestellt, um deutlich zu machen: So kann es nicht weitergehen. „Die Erzieher gehen auf dem Zahnfleisch, werden immer häufiger krank, weil der Stresspegel einfach zu hoch ist“, mahnt Ute Rotthoff, Leiterin der Kath. Kita St. Barbara in Röhlinghausen. Ihr Team möchte geschlossen nach Düsseldorf fahren und die Demonstration unterstützen. Die Kita bleibt an diesem Tag zu.
Dafür opfern die Beschäftigten einen Fortbildungs- und Urlaubstag. Und auch bei vielen anderen Kitas in Herne wurden die Eltern gebeten, ihre Kinder an diesem Tag früher abzuholen, damit möglichst viel Personal freigestellt werden kann, um zur Demo zu fahren. Elisabeth Weyen, Geschäftsführerin der Kindergartengemeinschaft im Evangelischen Kirchenkreis, befürwortet diesen Schritt: „Die Forderung ist absolut berechtigt. Alle Kitas sind unterbesetzt“, sagt sie. Bei den städtischen Kitas gebe es hingegen keine Einschränkungen, sagt Stadtsprecher Christoph Hüsken.

„Es werden immer mehr Kita-Plätze geschaffen, aber die Personaldecke wächst nicht“, beklagt Tanja Beßel-Glinka, stellvertretende Leiterin der Ev. Kita Kindervilla in Mitte. Auf 46 Kinder kommen dort sechs Erzieher, wovon zwei in Teilzeit arbeiten. „Wenn alle da sind, ist das gerade ausreichend“, sagt sie. Aber durch Urlaub, Fortbildung und Krankheit fiele fast immer einer aus. Hinzu kommt, dass die Kita von 7 bis 16 Uhr geöffnet hat, also neun Stunden am Tag. „Gerade zu den Randzeiten fehlt häufig Personal“, sagt Tanja Beßel-Glinka.

Schlechte Bezahlung als Ursprung

„Der Ursprung dieses Übels ist die Unterbezahlung“, sagt Kita-Leiterin Ute Rotthoff. Der Anspruch an Erzieherinnen sei gewachsen. Heute müssten Auszubildende ein Fach- oder Zentralabitur vorweisen, würden aber viel zu schlecht bezahlt. „Normale Erzieherinnen verdienen 1000 Euro weniger als eine Grundschullehrerin“, beklagt sie. Erzieherin werde man nicht wegen des Geldes, aber der Lohnzettel müsse auch stimmen. Das sei auch ein Grund für den Fachkräftemangel.
Und das müssten am Ende die Kinder ausbaden: „Die eigentliche Arbeit am Kind bleibt auf der Strecke“, bedauert Tanja Beßel-Glinka. Bildungsdokumentationen, Portfolioarbeit und Elterngespräche nähmen viel Zeit ein, gerade in ihrer Kita, wo häufig Sprachbarrieren die Arbeit verkomplizierten. „Irgendwann rebelliert der Körper. Die psychische und körperliche Belastung ist hoch, weil man das Gefühl hat, Dinge nicht zu schaffen, die man eigentlich schaffen müsste.“

Unzufriedenheit bei den Erzieherinnen wächs

Tanja Beßel-Glinka ist überzeugt, dass in allen Kitas gut gearbeitet werde – unter den gegebenen Umständen. „Es ist ein schöner Job, ich mache ihn auch gerne, aber die Unzufriedenheit wächst.“ Sie hofft, dass die Demo etwas bewirkt und sich die Umstände in Zukunft verbessern - für die Erzieher und die Kinder.

Kritik aus Herne am Referentenentwurf zur KiBiz-Reform

Dem Aktionsbündnis „Mehr Große für die Kleinen“ reicht Referentenentwurf zur KiBiz-Reform nicht aus. Auch Hernes Bildungsdezernentin übt Kritik.
Dem Aktionsbündnis „Mehr Große für die Kleinen“ geht es um mehr Personal für kleinere Gruppen und mehr individuelle Förderung für die Kinder. Beides werde bei dem kürzlich beschlossenen Referentenentwurf zur Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) nicht entsprochen, so das Aktionsbündnis.
Das sagt auch Hernes Bildungsdezernentin Gudrun Thierhoff. Es fehle darin die Verkleinerung der Gruppen, es fehle eine bessere Personalausstattung. „Das ist echt bitter“, sagt die Dezernentin. „Am Ende geht es nicht nur um die Erzieher, sondern um eine gute Betreuung und Bildung von Kindern.“ Das Land trage eine Verantwortung. Die Träger und die Kommunen seien von den Rahmenbedingungen des Landes und die Mitfinanzierung abhängig. Es sei jetzt genau der richtige Zeitpunkt, dass Erzieherinnen und Erzieher auf die Straße gehen. „NRW vertut eine Chance“, so Gudrun Thierhoff.